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Europa Cinema
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Donnerstag, den 28.03.2024:


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Eva-Lichtspiele
14. Polnisches Filmfestival

FilmPOLSKA: Tarnfarben (1977, OmeU)

Retrospektive: Krzysztof Zanussi
 
Barwy ochronne / Tarnfarben / Camouflage

Am Samstag 27.04. um 18.00 Uhr.

Gast: Krzysztof Zanussi


PL 1977
R/B: Krzysztof Zanussi
96 min, OmeU
K: Edward Klosinski
S: Urszula Sliwinska
M: Wojciech Kilar
D: Piotr Garlicki, Zbigniew Zapasiewicz, Christine Paul, Mariusz Dmochowski, Wojciech Alaborski u. a.

Wie schon in seinem Spielfilmdebüt Die Struktur des Kristalls (1969) führt Krzysztof Zanussi in Tarnfarben zwei Männer zusammen, die zwei grundsätzlich verschiedene moralische Haltungen vertreten. Ort des Geschehens ist ein akademisches Sommercamp. Während der junge Hochschulassistent Jaroslaw mit jederzeit offenem Visier auftritt und davon ausgeht, dass Ehrlichkeit, Fleiß und Idealismus auch zu gesellschaftlicher Anerkennung führen müssen, verkörpert der Dozent Jakub als sein Gegenspieler den puren Zynismus. Zwischen den beiden entspinnt sich ein zunächst argumentativer und taktischer Zweikampf, der sich immer weiter zuspitzt, die Grenzen verwischt und schließlich in physische Gewalt mündet.

Tarnfarben sorgte nach seiner Premiere in Polen für immenses Aufsehen und galt später als wichtigster Beitrag des „Kinos der moralischen Unruhe“, zu dessen Vertretern auch Krzysztof Kieslowski und Agnieszka Holland gehörten. Zanussi vollzog mit Tarnfarben seinen „endgültigen Abschied von eigenen Illusionen über einen möglichen demokratischen Sozialismus’“. (Ralf Schenk, film-dienst 13/2009)

Retrospektive: Krzysztof Zanussi
Anfang der Siebzigerjahre taucht Krzysztof Zanussi mit seinen Filmen wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt auf. Nach dem Danziger Aufstand vom Dezember 1970 muss die poststalinistische, kommunistische Regierung unter Wladyslaw Gomulka zurücktreten. Polen hofft auf eine neue, schönere Welt - auf einen Sozialismus mit „menschlichem Antlitz“. Auf den Straßen rollen neben- Lada und Trabant auch Fiat und Berliet, und in den Kinos sind US-amerikanische Filme in sogenannten Konfrontationsprogrammen zu sehen. In dieser Zeit des Aufbruchs kommen Zanussis erste abendfüllende Spielfilme in die Kinos. Aber sie sind keine Kinofeuerwerke der neuen Zeit. Zanussis Helden sind verunsichert, schon am Anfang ihres Weges. Sie vertrauen nicht dem gesellschaftlichen Status Quo, hinterfragen Gegebenheiten und Parolen. Zanussis Filme spannen eine philosophische Welt auf. Die großen Fragen der Aufklärung und Menschheit bestimmen ihre Erzählungen: Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was kann ich wissen? Und – was ist der Mensch?

Bald ist allerdings mit dem scheinbaren Tauwetter der früheren Siebziger vorbei. Mit der ersten Ölkrise schnellen die polnischen Staatschulden in die Höhe und aus den Regalen verschwinden nicht nur die Luxusprodukte aus dem Westen sondern auch Nahrungsmittel wie Fleisch, Brot und Zucker. Die Arbeiter streiken wieder und Bürgerrechtler organisieren sich im Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR). Mit zunehmender Brutalität gehen Polizei und Sicherheitskräfte gegen sie vor. In dieser Zeit – einer Zeit zunehmender Verzweiflung und ideologischer Enttäuschung – ereignet sich etwas Sonderbares. Die Filme von Krzysztof Kieslowski, Agnieszka Holland, Barbara Sass, Janusz Kijowski und Feliks Falk kommen in die Filmtheater und prägen maßgeblich das „Kino der moralischen Unruhe“. Ohne Zanussis Wirken ist es schwer vorstellbar, dass diese jungen Filmemacherinnen und Filmemacher sich so mutig artikuliert hätten und gegen Doppelmoral und Zynismus vorgegangen wären. Krzysztof Zanussi, für den die Mitgestaltung der polnischen Gesellschaft stets mit der Aufforderung zu moralischem Handeln und geistiger Erneuerung verknüpft ist, hat ihnen den Weg bereitet und sich ihnen angeschlossen. In diesem Jahr feiert der Grandseigneur des polnischen und europäischen Kinos seinen achtzigsten Geburtstag. Das Festival widmet ihm eine Werkschau mit Filmen aus den Siebzigerjahren.

Kornel Miglus